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Aus der Mitte heraus

27. August 2024

Immer wieder zählen Zersiedelung und Nachverdichtung zu den meistdiskutierten Themen in der Architekturbranche. Und immer wieder kommt dabei heraus, dass man noch längst nicht alle Potenziale kennt, die man eigentlich braucht. Das Wiener Architekturbüro Berger Parkkinen hat bereits gefunden, wonach andere noch suchen.

 

Von Barbara Jahn


Das Team rund um das Architektenehepaar Alfred Berger und Tiina Parkkinen, die 1995 das gemeinsame österreichisch-finnische Büro in Wien gründeten, ist – was ein umfangreiches Wissen zu nachhaltiger Bauweise betrifft – schon ein „alter Hase“. Davon zeugen nicht nur viele realisierte Projekte, darunter etwa das Wohnquartier Wientalterrassen, die vielfach mit Umwelt- und Architekturpreisen, beispielsweise mit klimaaktiv Gold, dem Österreichischen Betonpreis oder dem Solarpreis ausgezeichnet wurden. Einmal mehr stellen sie ihr Können mit einem kleinen, feinen Projekt im dicht bebauten 18. Wiener Gemeindebezirk Währing unter Beweis und geben eine starke Antwort darauf, dass nachhaltiges Bauen keine Frage des Maßstabs, sondern je nach Anforderung umsetzbar und leistbar ist.

 

 
Auf Lebendigkeit gesetzt: Die Konstellation der zueinander verdrehten Bestandgebäude wurde übernommen und weiterentwickelt. 

 

Aufgabe war es, für das Atelier Studio Comploj unter der Leitung des Glasbläsers Robert Comploj in einem charmanten Innenhof zwei neue Gebäude zu entwickeln, die zum einen als Werkstatt, Schau- und Verkaufsraum und zum anderen als privater Wohnraum mit Garten genutzt werden sollten. Die ursprünglich drei vorhandenen Bestandsgebäude aus der Nachkriegszeit wurden in das neue Konzept integriert, ebenso wie die wunderbaren, alten Bäume, die dem Projekt nicht weichen mussten. Mit geschickten Maßnahmen gelang es, etwas Besonderes zu entwickeln und die Gebäude zusätzlich an zeitgemäße Komfort- und Energiestandards anzupassen.

 

 
Zusammen und doch getrennt: Die Fassaden kommunizieren die Inhalte der Gebäude, die bewusst separiert bleiben sollen.

 

Vorrangiges Ziel war es, den leerstehenden Gebäuden wieder neues Leben einzuhauchen. Schließlich haben Werkstätten und produzierende Betriebe in Wiens Hinterhöfen eine lange historische Tradition, die hier erneut aufgegriffen wurde. Das Atelier Comploj war ursprünglich in einem ganz normalen Geschäftslokal in Innenstadtnähe beheimatet, wo seit 2017 die unglaublichsten Dinge aus Glas entstanden. Durch die Übersiedelung an den Stadtrand kann der gebürtige Tiroler Glaskünstler nun Berufliches und Privates ideal miteinander verbinden.

 

 
Die Dachlandschaft veranschaulicht die sanften Übergänge der drei Gebäude.

 

Die ursprünglichen drei Gebäude sind heute stark miteinander verbunden. Das wohl markanteste – eine Konstruktion aus Stahlbetonrahmen mit Oberlichtern – beherbergt heute die Glasbläserwerkstatt mit imposantem Hochofen und bildet das „unsichtbare Herz“ des Ensembles. Das Gebäude ist fast komplett umbaut, öffnet sich jedoch über eine großzügige Glasschiebetür zum sattgrünen Innenhof. Von oben dringt das Licht in den Ort der Entstehung und des Handwerks. Direkt daran anschließend und ebenfalls ebenerdig wird das zweite Gebäude mit bodentiefen Fenstertüren als galerieartiger Ausstellungs- und Verkaufsraum für die Glasskulpturen sowie für das Büro genutzt. Das Ziegelmauerwerk und der Holzdachstuhl wurden hier erhalten. Zudem übernehmen viel Licht und der Blick in den Garten eine wichtige Hauptrolle.

 

 
Aus einem Guss: Das Licht kommt von oben, im Zentrum brennt der Hochofen – so lässt es sich arbeiten.

 


Alles im Fluss: Das Atelier geht direkt in die Galerie über.

 

Das dritte und heute eigentlich zweite Gebäude ist der Familie selbst vorbehalten. Der ursprünglich eingeschossige Flachbau mit Flachdach, wo sich ein ehemaliges Büro befand, wurde um ein Obergeschoss erweitert und mit einer bronzefarbenen Metallfassade umhüllt, während Atelier und Schauraum eine glatte Putzfassade erhielten. So hebt dieses Bauwerk nicht nur seine geografische Position zu den anderen Gebäuden ein wenig ab, sondern auch sein Aussehen, das eine klare gestalterische und inhaltliche Grenze ziehen soll.

 

 
Das private Gebäude wurde um ein Stockwerk erweitert und mit einer Metallfassade umhüllt.


 
Berufliches und Privates voneinander getrennt, und doch entsteht durch die Architektursprache eine harmonisch Koexistenz.

 

Obwohl doch einige Elemente erhalten werden konnten, die schließlich in das Gesamtkonzept einflossen, stand hier weniger das Denkmalpflegerische im Vordergrund, sondern vielmehr das Wiedererwecken einer Tradition und das Beleben vergessener, aber wertvoller Flächen, die mit neuen Ideen, die an die Vergangenheit anknüpfen, bespielt werden. Das Handwerk und der Ort, wo es entsteht, rücken in den Mittelpunkt und geben dem brachliegenden Gewerbebetrieb eine zweite Chance. Dieses Projekt veranschaulicht nicht nur die gelungene Erhaltung und Transformation von Bestandsgebäuden, sondern auch die Schaffung einer einladenden, vielseitigen Umgebung für Kunst, Handwerk und Familie, die mit ihrer besonderen Aufenthaltsqualität den ehemals unattraktiven, verlassenen Innenhof und sogar die Nachkriegsbauten der Nachbargrundstücke in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen.

 


Das Atelier mit angeschlossenem Schauraum öffnet sich mit großen Glasflächen zum Garten.

 

© alle Bilder: Wolfgang Thaler

 

www.berger-parkkinen.com  

www.studiocomploj.com  

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