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Wenn das Morgen schon heute Form annimmt

31. Oktober 2023

Sein Fokus liegt ganz klar auf Stadt- und Architekturgestaltung, Innenarchitektur, Markenkommunikation, Produktdesign und Materialinnovation. Doch sind die gestalterische Exzellenz, aber auch die inspirierenden Lösungen für aktuelle Herausforderungen, die beim vom Rat für Formgebung verliehenen Preis IAIA – Iconic Award: Innovative Architecture – den Ausschlag geben.

 

 von Barbara Jahn

 

 


Die neue Serlachius Taide Sauna: Héctor Mendoza und Mara Partida von MendozaPartida) und Boris Bezan von BAX studio verschmelzen den neuen Kunst-Sauna-Raum mit dem Boden, so dass er Teil der Landschaft wird, nicht aber ein neues Gebäude oder gar eine kleine Nachbildung des bekannten Museums. © Marc Goodwin | Archmospheres 

  

Am 4. Oktober 2023 wurden in der Münchner BMW-Welt die Iconic Awards für innovative Architektur verliehen. Aus 620 eingereichten Projekten wählte die Jury – hochkarätig besetzt mit Ben van Berkel, Gründer und Principal Architect UNStudio, dem Chefredakteur der Zeitschrift Baumeister Fabian Peters, Virginia Lung, Mitgründerin One Plus Partnership, Wei Wu, Executive Partner gmp, Shanghai und Lone Wiggers, Partnerin und Architektin bei C.F. Møller Architects – 62 Projekte aus, die ein visionäres Design repräsentieren, das nicht nur gestalterisch ansprechend, sondern auch in ökologischer und gesellschaftlicher Hinsicht wegweisend ist. Ihnen wurde das Prädikat „Best of Best“ verliehen. Zusätzlich wurden die Sonderpreise „Architects of the Year“, „Interior Designers of the Year“ sowie der Ehrenpreis „Architects’ Client of the Year“ vergeben.

  

  
House NA von Sou Fujimoto: Der japanische Architekt versucht, Architektur sich im besten Sinne nicht als Gegenspieler zur Natur, sondern als ihre Verbündete betrachten. © Iwan Baan

 

Es sind die kreativen Gebäudelösungen, die innovativen Produktdesigns und die Trends, die Architektur- und Designwelt in ihrer Arbeit vorantreibt, die die Gewinnerprojekte in einem vielfältigen Spektrum repräsentieren. Diese Vielfalt fruchtet jedoch auf einem gemeinsamen Ansatz, nämlich in der Auseinandersetzung mit sozialen und umweltrelevanten Herausforderungen, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten oder vielleicht sogar unmittelbar anstehen werden. Das japanische Architekturbüro Sou Fujimoto Architects, das die Auszeichnung „Architects of the Year“ erhielt, das verloren gegangene Werte wie Unverwechselbarkeit, spannungsreiche Verhältnisse aus Nähe und Distanz, Gegensätze aus Kleinteiligkeit und Einheitlichkeit oder skulptural anmutende Formen in die Architektur zurückholt in Form von unkonventionellen Häusern ohne Wände, Dächern, die sich wie flatternde Bänder über eine Landschaft legen, und Fassaden, die von kleinen und großen Terrassen umspielt werden.

  


Gestalterische Expertise und handwerkliche Perfektion: Die Interior-Projekte des Münchner Schreinerei-Betriebes Holzrausch, in der sich Kunstfertigkeit und Leidenschaft für und mit Holz widerspiegelt, veranlassten die Jury, den Titel „Interior Designers of the Year“ zu verleihen. © Oliver Jaist

  

Das Studio Holzrausch aus München mit eigener Schreinerei im bayerischen Forstern und einer Werkstatt im slowakischen Nižná errang den Titel „Interior Designers of the Year“. Das Unternehmen betreut alle Entwicklungsschritte selbst, vom Entwurf bis zum Einbau. Der Rat für Formgebung begründet die Wahl mit einer beeindruckenden Bandbreite von Gestaltungsprojekten – vom einzelnen Möbelstück über die Küchenplanung bis hin zum ganzheitlichen, innenarchitektonischen Konzept. Holzrausch verbindet Handwerk mit innovativen Planungslösungen, stets Ästhetik und Funktionalität im Blick. Den Ehrenpreis „Architects’ Client of the Year“ konnte der norwegische Möbelhersteller Vestre, mit seiner neuen, von der Bjarke Ingels Group geplanten Fabrik „The Plus“ für sich verbuchen. Das Implizieren von der umliegenden Natur in das Gebäude, dessen signifikantes Herzstück ein Hof mit einem Ahornbaum ist, untermauert ein klares Bekenntnis zur Umwelt und das Bestreben nach einer Wohlfühlatmosphäre für alle Mitarbeiter*innen.

  


The Plus ist das von BIG / Bjarke Ingels Group entworfene neue, vierflügelige Produktionsgebäude, dessen Flügel sich jeweils auf 21 Meter über einer frei gespannten Leimholz-Rahmenkonstruktion erstrecken. Im Zentrum befinden sich ein Besucherzentrum und Büros mit kreisrundem Lichthof. © Einar Aslaksen

 

Für die Kategorie „Best of Best“ wurden die Projekte unter besonderen Blickwinkeln unter die Lupe genommen. Etwa dem, in welche Richtung sich neue Stadträume entwickeln werden, bedenkt man den steigenden Zustrom von Menschen in urbane Strukturen, der sich in den kommenden Jahren noch verstärken wird. Trotz Dichte qualitätsvollen Lebensraum zu schaffen, haben sich viele Architekturbüros zur Aufgabe gemacht. So hat etwa das niederländische Architekturbüro MVRDV unter dem Namen „Rooftop Walk“ eine temporäre 600 Meter lange und 30 Meter hohe Brücke geschaffen, die nicht nur zu einem wunderbaren Rundblick auf die Stadt Rotterdam einlädt, sondern auch zum Nachdenken des Einzelnen, wieviel Potenzial die Dachlandschaft noch bietet. Die Initiative fördert die Identifikation mit der Stadt, macht bislang ungeahnte Möglichkeiten aus einer neuen Perspektive sichtbar und schafft plötzlich Platz für grüne Ausgleichsflächen für versiegelte Böden, mehr Lebensraum für Vögel und Insekten, Begegnungsorte für Menschen und Schutz gegen Wärmeinseln.

  


Das Budapester New Museum of Ethnography von Napur Architect taucht in den Boden ein und macht der Natur Platz. © Gyorgy Palko

 

In Budapest setzt das „New Museum of Ethnography“ als Gebäude einen erfrischenden Akzent: Das dynamisch geformte Gebäude macht den umliegenden Park, in dem es errichtet wurde zum integrativen Bestandteil von sich selbst. Spannend ist, dass sich fast das gesamte Gebäude unter der Erde befindet und die Besucher über sein nur an den schmalen Seiten hochgezogenes Dach in den Park spazieren lässt. Die transparenten Fassaden tragen dazu bei, dass der Blick zwischen Stadt und Park nicht unterbrochen wird. Ganz auf der anderen Seite des Globus, in Thailand, kommen neue, vielschichtige Grünflächen in der Stadt bereits aktiv ins Spiel. Das Projekt „Sierra Sathorn“ kommt dem Bedürfnis nach mehr Natur und infolgedessen auch Erholung und besserer Luft, indem entsprechende Freiräume zwischen den Gebäuden sowie auf den Dächern, neue Angebote und Aufenthaltsqualitäten in der Nachbarschaft schaffen. Die kleinen, aber zahlreichen grünen Lungen sorgen unmittelbar für eine Verbesserung der Luftqualität und sind eine Bereicherung für die urbane Landschaft.

  


Das Landschaftsarchitekturbüro Redland-Scape aus Bangkok versucht beim Wohnprojekt Sierra Sathorn mit dem Konzept Sierra Sathorn auf das Bedürfnis der Menschen nach Regeneration in dicht verbauten Stadtgebieten einzugehen. © Redland-Scape.Ltd

  

Die Folge der rapiden Urbanisierung und dem damit einhergehenden Zustrom von Menschen in die Städte ist, dass der Wunsch sich die Natur zurück zu holen immer lauter wird. Fast proportional dazu wird der Platz für Wohnraum immer weniger, die Bedürfnisse jedoch bleiben zumindest gleich oder ähnlich. Gebäude müssen daher vieles abfedern, was verlangt wird: moderne und nachhaltig entwickelte Infrastrukturen wie ein gut durchdachtes Verkehrssystem, die Entwicklung vielseitiger Grünflächen und umweltfreundliche Technologien zur Verringerung der Umweltbelastung. Insbesondere die Installation grüner urbaner Milieus steht auf der Prioritätenliste, ein Projekt, das in der dichten Bebauung der Flächen oft nur noch auf den Dächern stattfinden kann. Dies zu lösen ist beispielsweise dem Architekten Carsten Roth mit dem Wohn- und Mischgebäudekomplex Elevendecks in der Hamburger Hafencity gelungen.

  

 
Das Wohngebäude Elevendecks von Architekt Carsten Roth in der Hamburger Hafencity. © DC Developments

  

Mit der Schaffung von grünen Oasen geht ein weiterer Trend einher, der soziale Begegnungen fördert und von der digitalisierten Welt ein Stück abrückt. Auf öffentlichen Plätzen suchen Menschen wieder Kontakt zueinander, Co-Working Spaces werden zu Orten des sozialen Austauschs, Grünflächen zum qualitätsvollen urbanen Treffpunkt. Es geht verstärkt um die Vernetzung der öffentlichen Räume – auch in Form von transparenten Fassaden, Durchgängen und gemischten Funktionen – die abseits des eigenen Zuhauses und des Büros Innenstädte wieder stärker belebt werden können und soziales Leben sowie die Identifikation mit der Stadt durch wirtschaftliche Dynamik, kulturelle Vielfalt und soziale Interaktion fördern. Unter diesem Gesichtspunkt wurden zahlreiche Projekte prämiert, unter anderem die Changzhou Culture Plaza, ein Kulturzentrum mit Museen, Bibliothek und Hotel sowie Flächen für Büros und Einzelhandel als neue Stadtmitte mit sechs 50 Meter hohen Pavillons, Kunstgalerie, Wissenschafts- und Technikmuseum sowie Wasserspielen, entwickelt von Gerkan, Marg und Partner. Um soziale Begegnungen beim Einkaufen geht es bei dem Projekt „SuperHub Meerstad“ im niederländischen Groningen, geplant vom Architekturbüro De Zwarte Hond. Für den Lebensmittelmarkt mit zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten wurde eine außergewöhnliche Architekturform gewählt. Ein gelungenes Interior-Projekt ist das vom Architekturbüro Henn geplante „House of Communication“ in München, wo innovative Arbeitskonzepte räumliche Gestalt annehmen: flexible Flächen zum Unterteilen und gemeinsame Bereiche für konzentriertes wie gemeinschaftliches Arbeiten, Sitzgruppen und wohnliche Lounges, die zum Netzwerken und kreativem Austausch einladen. Auch Orte für gemeinsame Mittagessen oder entspannte Momente auf der Dachterrasse zeigen den sozialen Mehrwert des Büros.

  


Der SuperHub Meerstad von De Zwarte Hond lehnt sich an das Konzept historischer Markthallen an. © Ronald Tilleman

  

Der dritte Trend fokussiert darauf, wie neue Hotel-Architektur den Menschen die Natur auf besondere Weise erleben lässt. Eintauchen heißt hier die Devise, auf ganz unterschiedliche Art, denn das Leben in der Großstadt macht müde, laugt aus und die Natur wird zur Krafttankstelle, deren Nähe gesucht wird. Die Sehnsucht nach Ausgleich, Entspannung und Harmonie treibt die Hospitality-Branche zu ihrer Höchstform – spektakulär und einzigartig, jedoch im Gleichklang mit dem natürlichen Szenario, das sich ringsum erleben lässt. Die neue Hotelarchitektur intensiviert das Naturerlebnis für den Gast, in dem sie neue Perspektiven auf die Natur ermöglicht und die Verbindungen zwischen Mensch, Architektur und Natur fließend werden. Architekt Hadi Teherani nahm das Wort „fließende“ wörtlich und bettete das am Hotel Krallerhof gelegene Spa „Atmosphere“ sanft in die Landschaft ein: Eine organisch geschwungene Glasdecke des Wellnessbereichs imitiert die Formen der umliegenden Hügel inmitten des Bergpanoramas, das mit Blickachsen und Aufenthaltsräume sowie im Zusammenspiel von hochtechnologisch realisierter Architektur und zeitgemäßem Komfort erlebbar gemacht wird.

  


Architekt Hadi Teherani entwarf das Spa Atmosphere by Krallerhof in Leogang als ganzheitliches Erlebnis, wo sich Architektur und Natur auf einer Ebene begegnen. © Krallerhof

  

Doch nicht nur gläserne Transparenz bringt die Natur nahe an sich heran, sondern auch der Einsatz lokaler Materialien für Gebäudekern, Innenräume und Fassade, der die Architektur mit seiner Umgebung verschmelzen lässt. Diesen Ansatz verfolgte Architektin Heike Pohl von Studio Tara für die Fassadengestaltung des „Hotel Saltus“ im Südtiroler Jenesien, für die sie die für die Gegend übliche Lärche wählte und so Ortsverbundenheit und Authentizität hervorruft. Durch die Verwendung von Naturmaterialien und die gelungene ganzheitliche Integration der Architektur in die Landschaft können nachhaltige Praktiken und ein positives Bewusstsein für Umweltbelange gefördert werden. Diese Hotellerie-Projekte treffen auch deswegen den Nerv der Zeit, weil Urlaube in weit entfernte Regionen von immer mehr Konsument*innen hinterfragt werden und nähere Ziele in der Natur ins Blickfeld rücken.

  


Architektin Heike Pohl von Studio Tara wählte für die Fassadengestaltung des Hotels Saltus Lärchenholz, um bestmöglich an die Umgebung anzudocken. © Davide Perbellini Photography

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