26. September 2023
Das Werksgelände des Herstellers für Fertigungstechnik Trumpf im schwäbischen Ditzingen war bis in die späten 1990er-Jahre von typischen Industriebauten geprägt. Seit der Jahrtausendwende ist es vornehmlich das Berliner Büro Barkow-Leibinger, das hier eindrückliche architektonische Akzente setzt. Eines der jüngeren Gebäude ist eine Kindertagesstätte, die aus einer Massivholzkonstruktion ohne Leim und Metalle besteht, also rückstandslos rückbaubar ist.
von Thomas Geuder, Der Raumjournalist
Auch die Atmosphäre der Gruppenräume in den Kuben ist vom Material Holz bestimmt.
Es entstehen einige kleine Plätze, die für die gemeinschaftliche Nutzung zur Verfügung stehen.
Die Betriebskindertagesstätte steht insgesamt 75 Kindern zur Verfügung, nicht nur der Mitarbeitenden, sondern auch der gesamten Gemeinde. Insofern gehört sie genau genommen nicht zum Unternehmen, was auch die abseitige Lage am nordwestlichen Rand des Campusgeländes vermittelt. Hier fügt sich das Gebäude durch seine niedrige Höhe elegant in die Topografie des Ortes ein und verweist durch die Geste des flach geneigten Satteldachs auf die Architektur der benachbarten Campusgebäude. Das Dach der Kita ist zudem begrünt, was als ökologische Ausgleichsfläche dient. Ins Auge fallen in der Außenansicht die weiten Dachüberstände. Sie übernehmen gleich mehrere Funktionen, schützen also die Holzfassade vor der Witterund sowie die Innenräume vor der direkten Sonneneinstrahlung.
Der Innenraum wird durch acht Kuben gegliedert, zwischen denen ein sich ständige veränderndes Raumkontinuum mäandriert.
Wirtschaftlich und ökologisch
Die gesamte Gebäudekonstruktion besteht aus unverleimten Massivholzelementen aus einer doppelten, durch Buchendübel und Schwalbenschwanzverbinder zusammengeführten Tragschicht aus Tanne. Die äußere Bekleidung besteht aus Weißtanne, im Zwischenraum ist eine Holzfaserdämmung angeordnet. Alle Hölzer stammen aus PEFC-zertifizierten Wäldern aus dem Alpenraum und dem Schwarzwald, vorgefertigt wurden die einzelnen Elemente bei dem Südtiroler Vollholzhausbauer Holzius, montiert vor Ort in Ditzingen dann von regionalen Handwerksbetrieben. Diese Vorgehensweise hat nicht nur zu einer hohen Genauigkeit der einzelnen Elemente geführt, sondern auch auf der Baustelle für eine sehr kurze Bauzeit gesorgt – die gesamte Planungs- und Bauzeit betrug lediglich 19 Monate. Fast wichtiger aber ist, dass so auch gewährleistet werden konnte, dass die gesamte Vollholzkonstruktion sortenrein trennbar und anschließen wiederverwend- bzw. wiedverwertbar ist. Der ökologische Fußabdruck des Kita-Gebäudes konnte dadurch auf ein Minimum reduziert werden.
Ein großzügiges Oberlicht neben der Firstlinie dient der natürlichen Belichtung, Belüftung sowie Entrauchung.
Innenraum wie eine Stadt
Außen gibt sich das Gebäude noch recht simpel und rechteckig. Im Innenraum jedoch herrscht räumliche Vielfalt: Die Entwurfsidee basiert – statt auf einzelnen Räumen – auf acht Raumkuben, die von einem großen Dach überspannt werden. Diese Kuben gliedern gleichzeitig den Innenraum, ähnlich einem Haus-im-Haus-Prinzip. Da sie verschiedene Größen haben, ergibt sich dazwischen ein mäandrierendes Raumkontinuum, das an einigen Stellen schlicht den Flur bildet, an anderen sich aber wie in einer süditalienischen Stadt zu Plätzen öffnet, die der gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung stehen. Ihre großflächige Verglasung bietet wiederum einen direkten Bezug zum Außenraum. In den Kuben selbst befinden sich die Räume für die einzelnen Gruppen sowie die Mitarbeitenden, außerdem eine Garderobe und eine Küche. Das vorherrschende Material Holz bietet bereits eine natürliche Umgebung für die Kinder. Ebenso haben die Planenden darauf geachtet, dass baubiologisch und chemisch unbedenkliche Produkte eingebaut wurden.
Große Fensterflächen lassen viel natürliches Licht in den Innenraum und ermöglichen einen intensiven Bezug zur Natur im Außenraum.
Der weite Dachüberstand dient als passive Maßnahme zur Gebäudeklimatisierung und schützt gleichzeitig die Holzfassade vor der Witterung.
Energiesparende Architektur
Die weiten Dachüberstände, die dem Schutz der massiven Holzbauweise dienen, bieten außerdem einen effizienten sommerlichen Wärmeschutz durch Verschattung. Auch eine konventionelle Fensterlüftung ist somit problemlos realisierbar, sodass für den Betrieb weder eine Lüftungstechnik noch eine Kühlung nötig waren. Lediglich die Sanitärräume sind mit einfachen Lüftungsgeräten ausgestattet. Insgesamt erreicht das Gebäude den Energiestandard KfW 55, mit einem Energieverbrauch (Öko-)Strom von 14,6 kWh/m² und Heizung von 143,5 kWh/m². Geheizt wird mit einem Holzpellets-Kessel (80 kW), die Wärme wird vornehmlich über eine Fußbodenheizung an die Räume abgegeben, das Warmwasser wir über Durchlauferhitzer erzeugt. So gelingt ein Deckungsanteil des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien von guten 86 %.
Projektdaten:
Projekt: Betriebskindertagesstätte Trumpf, Ditzingen
Architektur: Barkow Leibinger, Berlin
Bauherr: Trumpf, Ditzingen
HLS: Krebs Ingenieure, Ditzingen
Bauphysik: GN Bauphysik Ingenieurgesellschaft, Stuttgart
Tragwerk: Breinlinger Ingenieure, Stuttgart
Generalunternehmer, Holzbau: Holzius, Prad am Stilfserjoch
Fertigstellung: 2019
Standort: Berblingerstraße 22, 71254 Ditzingen
Alle Fotos © Stefan Josef Müller, Berlin