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Leicht gesagt, leicht gemacht

26. September 2023

Gleich zweimal – nämlich in Hamburg und in Stuttgart – ist Dr. Stefanie Weidner von Werner Sobek zu Gast bei der Architect@Work. Bei ihren Vorträgen legt sie den Fokus auf Reduktion und Minimierung in Form des Leichtbaus als zukünftige Bauform mit weniger Volumen und mehr Wohlbefinden für Bewohner*innen und Nutzer*innen. Im persönlichen Interview haben wir die Person Stefanie Weidner und ihre Denkweise noch näher kennenlernen dürfen.

 

Von Barbara Jahn



Stefanie Weidner. 
Foto © Janina Kyofsky, Backnang



Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Für den von Helmut Jahn entworfenen Bangkok Airport plante Werner Sobek das Tragwerk und die Fassade.
Foto © Rainer Viertlboeck, Gauting

 

Sie sind DGNB Consultant und seit 2021 in führender Position im Team von Sustainability Strategies bei Werner Sobek. Welcher Grundgedanke leitet Sie bei Ihrer Arbeit?

 

Mich leitet der Wille beziehungsweise das Bestreben die Transformation des Bauwesens aktiv zu gestalten und voranzutreiben und sei es auch in noch so kleinen Schritten oder Teilerfolgen.

 

Nachhaltigkeit ist ein viel strapazierter Begriff, der möglicherweise durch seinen inflationären Gebrauch an Gewicht verliert. Was konkret verstehen Sie darunter, und was kann man tun, damit die Bedeutung, die ja jeden Tag ein Stückchen mehr steigt, nicht verloren geht?

 

Prinzipiell ist es gut, dass Nachhaltigkeit ein so bestimmendes Thema geworden ist, aber die Gefahr der Verwässerung besteht umso mehr. Für mich liegt der Schwerpunkt auf der Ökologie, v.a. geprägt durch Treibhausgasemissionen, Ressourcenverbrauch und Mikroklima. Ich bin überzeugt, dass eine funktionierende Umwelt die Grundlage für eine sozial ausgeglichene Gesellschaft ist. Ganz im Sinne von Werner Sobeks 17. These: natura mensura est – die Natur ist das Maß aller Dinge.

 


Das HDI Headquarter in Gerling bei Hannover von Christoph Ingenhoven, Ingenhoven Architects.
Foto © HG Esch, Hennef

 

Wo können Architekten am besten ansetzen, um einem nachhaltigerem Bauen zu entsprechen? Wo würden Sie ansetzen?

 

Die Ansätze sind sehr vielseitig, gerade auf Objektplanungsseite. Einen wesentlichen Aspekt, der durch Architekt*innen beeinflusst werden kann sehe ich im Flächenverbrauch und einer flexiblen – aber robusten – Grundrissgestaltung. Dies gilt vor allem für schnelllebige Nutzungen wie Hotel oder Gewerbe/Büro. Auf Bauteil- und Materialebene sind natürlich auch zahlreiche planerische Maßnahmen vorzusehen, die eine Kreislaufgerechtigkeit und damit Ressourcenschonung sowie eine Emissionsreduktion begünstigen. Die Planung mit BIM gilt für mich dabei übrigens als zentraler Schlüssel, der uns hier langfristig noch viel ermöglichen wird. Wichtig ist es, sehr früh mit den Zielvorgaben und -vorstellungen zur Nachhaltigkeit anzufangen, idealerweise in der sogenannten LP 0.

 

Maßnahmen zur Reduktion sind unbestritten ein wichtiger Faktor, aber nicht immer angenehm. Menschen in unserer westlichen Gesellschaft können schwer mit Verzicht umgehen, weil ihnen die Wirtschaft immer die Geschichte von mehr Wachstum einhämmert. Wo zieht man da am besten die Grenzen?

 

In einigen Projekten, gerade auch bei Fragen zum Bestandserhalt, erleben wir, dass unsere immer weiter gestiegenen Maßstäbe und Anforderungen, die wir als Mitglieder einer sehr wohlhabenden Nation entwickelt haben, wie z.B. an Akustik, thermischen Komfort, Raumqualität etc. der Nachhaltigkeit entgegenstehen. Denn sie führen u.a. dazu, dass technisch funktionstaugliche Gebäude abgebrochen werden, weil keine langfristige Nutzbarkeit oder Vermietbarkeit erzielt werden kann. Da müssen wir uns als Individuen doch auch mal hinterfragen, wie verantwortbar unsere Ansprüche aktuell sind. Auch hier kann durch Architektur und Stadtplanung aufgezeigt werden, wie durch ein Weniger trotzdem ein höchstes Maß an Qualität erreicht werden kann. Ich hoffe außerdem, dass auch in die gesetzlichen Vorgaben ein wenig mehr Flexibilität kommt, um die Anforderungen nicht noch weiter hoch zu treiben.

 


Anlässlich des Papstbesuchs 2006: Das Papstdach München von Werner Sobek als Überdachung aus einer filigranen Membranstruktur.
Foto © Zooey Braun, Stuttgart

 

Umgekehrt aus der Sicht der Privatperson Stefanie Weidner als Konsumentin / Bewohnerin: Vermischen sich da nicht manchmal auch Gefühl und Vernunft?

 

Doch, klar, ich bin ja trotzdem die gleiche Person. Auch ich denke mir manchmal ach so ein Einfamilienhaus mit Garten, ganz neu nach meinen Wünschen und Vorstellungen gebaut, wäre doch schön zu haben. Aber die Vernunft sagt mir dann im selben Gedankengang: nein, das ist nicht mehr zeitgemäß. Ressourcen- und Emissionsaufwand, Zersiedlung, Versiegelung… es sprechen einfach sehr viele Aspekte dagegen. Und diese internen Konflikte gibt es nicht nur bzgl. Wohnstandard, sondern natürlich auch bei Mobilität, Ernährung, Konsumverhalten usw.

 

Seit letztem Jahr leiten Sie Werner Sobek København. Würden Sie sagen, in den skandinavischen Ländern ist man in Sachen Nachhaltigkeit schon viel weiter als im Rest Europas?

 

Das ist nicht für alle Bereiche durchgehend zutreffend – zum Beispiel ist Dänemark noch weit weg von unseren Tendenzen zu fleischarmer/-loser Ernährung. Aber grundsätzlich ist in Skandinavien die Offenheit für nachhaltige Entwicklungen auf übergeordneter Ebene und gerade im Bausektor – zumindest nach meiner Wahrnehmung – tendenziell größer. Es gibt weniger Zweifler und Kritiker von Maßnahmen, denn es herrscht ein fundamentales Vertrauen in Wissenschaft. Das führt dazu, dass in Dänemark beispielsweise seit Anfang 2023 jedes Gebäude eine Lebenszyklusanalyse erstellen muss, um überhaupt genehmigt zu werden. Und jedes Gebäude über 1.000 Quadratmeter muss dazu einen verbindlichen Grenzwert einhalten. Dieser ist noch relativ gut erreichbar, wird aber sukzessive über die nächsten Jahre reduziert, um so aktiv eine Reduktion von grauen und operativen Emissionen über den Lebenszyklus zu bewirken. Das finde ich eine mutige und absolut richtige Forderung, die wir so dringend auch bei uns benötigen würden.

 


Auch für den 162 Meter hohen Post Tower in Bonn arbeiteten Helmut Jahn (Architektur) und Werner Sobek (Fassade & Tragwerk) eng zusammen: Eine filigrane zweischalige Hülle aus zwei gegeneinander versetzten Kreisen.
Foto © Andreas Keller, Altdorf

 

Auf der Architect@Work in Hamburg sprachen Sie über den Leichtbau als Grundlage. Welcher Schluss lässt sich als Kernaussage aus diesem Vortragstitel ableiten?

 

Leichter zu bauen ist eine sehr gute, wenn nicht die beste Möglichkeit Ressourcen einzusparen. Daher sollte das auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Mir ist bewusst, dass wie bereits gesagt, aktuelle Anforderungen – unter anderem Schallschutz, Brandschutz, thermischer Komfort – hier konträr dazu stehen. Das heißt aber nicht, dass wir uns mit dieser Konfliktsituation so zufriedengeben sollten.

 

Sie sagen, dass für die Transformation neue, aber auch alte Ansätze benötigt werden. Was darf Ihrer Meinung nach bleiben, was sollten wir unbedingt mitnehmen?

 

Bleiben oder Wiederkehren darf/sollte das Wissen um lokale und traditionelle Baumethoden. Bauen mit natürlichen Baustoffen wie Lehm und Stroh ist beispielsweise fast in Vergessenheit geraten und muss jetzt erst wieder langsam neu den Weg zurück in die gängige Baupraxis schaffen. Auch global spielt der Faktor lokale, traditionelle Bauweisen, besonders, wenn wir an andere Klimazonen denken, eine große Rolle. Wie so oft ist es nicht sinnvoll sich zu sehr auf nur eine Lösung zu versteifen. Es braucht eher eine ganze Bandbreite an möglichen Lösungsoptionen für die gelungene Transformation. Einige dieser Ansätze gilt es nun durch neue Technologien zu erforschen, andere müssen aus der Vergangenheit reaktiviert werden.

 


Für die Weltausstellung 2020 in Dubai entwickelte Werner Sobek die EXPO Shades, innovative Verschattungsanlagen, die alle Länderpavillons miteinander verbanden. Foto © Andreas Keller, Altdorf

 

Wie sehen Sie die Zukunft der Architektur – im Hinblick auf wachsende Bevölkerung, wachsende Städte, wachsende Bedürfnisse?

 

Divers. Wir sind uns einig, dass es so, wie es die letzten Jahrzehnte lief nicht weitergehen kann. Schon gar nicht in einem globalen Kontext mit zwei Mrd. zusätzlichen Menschen in knapp 27 Jahren und zusätzlichen zu erwartenden klima- und bedürfnisbedingten Migrationsbewegungen. Menschenwürdige Habitate für all diese Menschen zu schaffen, wird eine Mammutaufgabe, die einen Schulterschluss sämtlicher Disziplinen, Industriezweige und auch Nationen bedarf. Die Architektur des 20. Jahrhunderts wird uns hier nicht an ein klimakompatibles Ziel führen. Nur leider lässt es sich nicht einheitlich sagen: So muss es aussehen, das ist die ideale Lösung für alle.

 

Meinen Sie, müssen wir alle endlich anfangen neu zu denken? Und wie kann man Menschen mobilisieren, begeistern?

 

Ja, unbedingt. Neu denken bzw. anders denken ist eine Grundvoraussetzung, um Wandel möglich zu machen. Wir bräuchten eine groß angelegte Sensibilisierungskampagne, die der breiten Bevölkerung täglich auf unterschiedlichsten Kanälen die klaren, unbestreitbaren Fakten kommuniziert, sodass sie auch wirklich von allen und nicht nur den wissenschaftlichen Eliten verstanden werden können. Ohne Panik zu verbreiten natürlich, denn diese führt zu nichts, außer vielleicht zu Kapitulation. Eindeutige Kommunikation konkreter Ziele, ohne hoch komplexe Zusätze, Ausnahmeregelungen, Abhängigkeiten – das würde meiner Ansicht nach viel stärkere Effekte auf Innovationskraft haben. Ob das nun Begeisterung auslösen wird? Vermutlich nicht, aber vielleicht sind schon Verständnis für die Notwendigkeit, sich angesprochen und mitgenommen fühlen und das Gefühl der Gemeinschaft, weil uns das ja alle gleichermaßen betrifft, ein Schritt in die richtige Richtung.

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