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Suffizienter Holz-Beton-Hybrid

30. August 2022

Das Ortszentrum in Großkarolinenfeld bei Rosenheim hatte bislang kein klar definiertes Ortszentrum. Behnisch Architekten haben dort nun vor Kurzem ein Rathaus errichtet, das mit Aufenthalts- und Grünflächen städtebauliche Klarheit schafft und das Gebäude gleichzeitig als neue Mitte der Gemeinde erlebbar macht. Die Haustechnik von IB Hausladen folgt einem suffizienten Konzept, die Bauwerksstruktur besteht aus Beton, kombiniert mit Holzständerbauweise.


von Thomas Geuder, Der Raumjournalist


Der westliche Bereich von Großkarolinenfeld war bis vor Kurzem eine gewachsene, städtebaulich eher zusammengewürfelte Ansammlung einzelner Bauten mit Gemeindehaus, Apotheke, Bäckerei, Metzgerei, Wirtshaus und anderen, in der jeder für sich – so möchte man meinen – den Anspruch erhob, wichtiges Zentrum im Ort zu sein. Mit ihrem Neubau des Rathauses haben Behnisch Architekten nun gezeigt, dass ein einziger Bau Ordnung schaffen kann und ein neues, klar definiertes Zentrum entsteht. Zwischen Neubau und bestehendem Gemeindehaus spannt sich jetzt ein kleiner Platz auf, der zumindest eine organisatorische Anlaufstelle in der Ortschaft definiert. Eine Folge aus neu gestalteten Grünflächen, Plätzen und Wegen verknüpfen sich zu einem wirksamen Geflecht, das den Ort merklich aufwertet.

 


Eine Grünlandschaft mit Volksfestplatz, eingegrenzt durch den Bahndamm, erstreckt sich hinter dem Gebäude.

 

Verknüfungswirkung auf Erdgeschossebene


Das Gebäude selbst gibt sich dabei eher zurückhaltend und ist nur zwei Geschosse mit Flachdach hoch. Die Gestalt des Erdgeschosses ist dabei frei geformt und mit einem hohen Anteil an transparenten Fassadenflächen. Die freie Form führt außerdem zu einer hohen Durchlässigkeit, die die Freiflächen auf der einen mit dem Ortsgeflecht auf der anderen Seite geschickt verweben. Hier im Erdgeschoss befinden sich die öffentlichen Bereiche mit Bürgerbüro, Sitzungssaal und Trauzimmer. Die 123 und 51 m² großen Säle können zusammengelegt werden und sind über einen separaten Eingang mit Foyer zugänglich.

 


Die raumhohe Verglasung lässt im Sitzungs- und Festsaal wie auch in den anderen Erdgeschossbereichen viel natürliches Licht hinein.

 

Hybride Gebäudekonstruktion


Um die Freiform überhaupt herstellen zu können, ist das Obergeschoss größtenteils auf Stützen gestellt. Mehr noch ist es streng rechteckig und erscheint dadurch wirkt wie ein eigenständiger, aufgeständerter Baukörper. Hier befinden sich die Büros der Verwaltung. Zwei Lichthöfe, von denen einer bis ins Erdgeschoss führt und der andere einen internen Freihof für die Mitarbeitenden bildet, bringen viel natürliches Licht und Helligkeit in die Innenräume. Das Gebäudetragwerk besteht vornehmlich aus Stahlbeton, ergänzt im Bereich der Säle durch Stahlträger und Brettstapelelemente. Auch das Dach besteht aus Stahlbeton. Die Außenwände allerdings sind in leichter Holzständerbauweise mit Holzfaserdämmung ausgeführt, was auch in der Außenansicht klar abgebildet wird. Offene Flächen wechseln sich mit geschlossenen Flächen aus vorgegrautem Lärchenholz, die Öffnungen lassen sich mit Schiebeläden aus senkrechten Lamellen bei Bedarf schließen. Die Schichtung der Fassade in drei gestalterischen Ebenen verleiht dem Gebäude eine markante, charakteristische Erscheinung.

 


Augenfällig ist die formale Zweiteilung des Gebäudes in ein frei geformtes Erdgeschoss und ein streng rechteckiges Oberschoss, dessen Holzfassade ein Verweis auf die Holzkonstruktion dahinter ist.

 

Suffizientes Low-Tech-Haus


Das Gebäudetechnikkonzept von IB Hausladen verzichtet gänzlich auf fossile Brennstoffe und bezieht die Nutzerinnen und Nutzer ein. In den Büroflächen wird der Luftaustausch über Fensterlüftung bewerkstelligt, lediglich die öffentlichen Bereiche werden über dezentrale Lüftungsgeräte automatisch mit Frischluft versorgt. Zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen für Heizung und Kühlung mit je rund 40 kW werden über die PV-Anlage auf dem Dach betrieben. Ein 1.500 Liter großer Pufferspeicher fungiert im Winter als Heizungs- und im Sommer als Kältepuffer. An die Räume übergeben wird die Wärmeenergie schließlich über eine Fußbodenheizung. Eine zentrale Warmwasserbereitung gibt es nicht, sie wird von elektrischen Durchlauferhitzern geleistet. Sämtliche Beleuchtung innen wie außen ist – natürlich – in LED-Technologie ausgeführt. So ist das neue Rathausgebäude ganzheitlich, also städtebaulich, gestalterisch, konstruktiv sowie haustechnisch ein suffizientes, nachhaltiges und dabei erstaunlich angenehmes Bauwerk.

 


Für zusätzliches Tageslicht und Aufenthaltsqualität sorgen zur Fassade hin aufgeweitete Flurzonen im Obergeschoss, wo sich die Verwaltungsbüros befinden.


Alle Bilder: ©  David Matthiessen, Stuttgart


Projektdaten:

 

Architektur:

Behnisch Architekten, München

 

Bauherrschaft:

Gemeinde Großkarolinenfeld

 

Projektbeteiligte:

adlerolesch Landschaftsarchitekten, München (Landschaftsplanung)

Köppl Ingenieure, Rosenheim (Tragwerk)

Ingenieurbüro Hausladen, Kirchheim (HLS)

elo plan engineering, Rosenheim (Elektroplanung)

Bartenbach, Tirol (Lichtplanung)

Brandschutz Consulting, München (Brandschutz)



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