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Es grünt in Eindhoven und Utrecht

21. April 2022

Im Süden und im Zentrum der Niederlande entstanden erst vor kurzem zwei Aufsehen erregende Projekte: der so genannte „Sint-Trudo-Waldturm“ in Eindhoven und „Wonderwoods“ in Utrecht. Inspirationsquelle für das Architekturbüro beider Projekte Stefano Boeri Architetti ist der Bosco Verticale, jener Mailänder Wohnbau bestehend aus zwei Wolkenkratzern mit 111 beziehungsweise 76 Metern Höhe, den das Büro ebenfalls entworfen hat. 

 

Der Name „Bosco Verticale“ verrät bereits, worum es hier geht: die Schaffung eines vertikalen Waldes, wie er nun auch in den Niederlanden realisiert werden soll. In Mailand sind es 900 Bäume auf Terrassenflächen von 8.900 Quadratmetern. Nach italienischem Vorbild strebt man mit den vertikalen Wäldern auch in Eindhoven und Utrecht nach wesentlich mehr sein als nur nach einem Stück Ästhetik. Zwar steht natürlich die Begrünung einer Umgebung aus Stein und Beton an erster Stelle. Darüber hinaus sollen jedoch auch Nachhaltigkeit, CO₂-Einsparung und das Bemühen um energieneutrale Gebäude fokussiert werden.

 

Der Trudo-Waldturm in Eindhoven


In Eindhoven entstand das Projekt auf einem ehemaligen Philips-Betriebsgelände, dem so genannten Strijp-S mit einer Größe von nicht weniger als 27 Hektar. Bereits seit dem Jahr 2000 wandelt sich das Gebiet zu einer multifunktionalen Wohn- und Gewerbezone, in der die Bereiche Wohnen, Arbeiten, Einzelhandel und Freizeit kombiniert werden. Im Strijp-S setzen mehrere Projektentwickler insgesamt etwa 500.000 Quadratmeter für Immobilien um, unter anderem Sint-Trudo mit dem neuen Trudo-Waldturm, der bereits fertiggestellt und bezogen wurde.

 


Der Trudo-Waldturm mit seinen 19 Etagen beherbergt 125 Bäume der verschiedensten Sorten sowie etwa 5.200 Sträucher und Pflanzen kleineren Umfangs.

 

Der Trudo-Waldturm ist im so genannten Dreieck angesiedelt, einem sieben Hektar großen Bereich im Zentrum des Strijp-S, der einiges an industriellem Erbe aufweist, davon hauptsächlich große, massive Fabrikgebäude. Hier liegt der Ursprung einer stark von Steinen dominierte Umgebung.

 

Der Trudo-Waldturm mit seinen 19 Stockwerken basiert auf der Vorstellung, dass die Lebensqualität mittels Begrünung, einem lebendigen Sockel und angenehmen Plätzen erheblich gesteigert werden kann. Besonders bemerkenswert an diesem Gebäude ist, dass es sich hier zum ersten Mal nicht um ein exklusives Luxus"-Wohnprojekt handelt. In diesem Fall ist der Wohnbereich ausdrücklich auch für Menschen mit geringem Einkommen und für junge Paare vorgesehen. Im Turm gibt es somit auch Apartments zu bezahlbaren Mieten, deren hohe Lebensqualität ebenfalls garantiert ist, da Hunderte von Bäumen und Pflanzen der verschiedensten Sorten sämtliche Balkone säumen.  

 


Detailansicht einiger Etagen (Eindhoven).

 

Laut Stefano Boeri Architetti wird die durch den Bosco Verticale ins Leben gerufene komplexe Vision im Zusammenhang mit dem Trudo-Vertical-Forest-Projekt erweitert. Hier stellt man sich einer doppelten Herausforderung, wobei der soziale Wohnturm in Eindhoven die Möglichkeit eröffnet, sowohl den Klimawandel anzugehen als auch gleichzeitig dem Problem des Wohnungsmangels zu begegnen. Man sollte die städtische Bewaldung nicht nur als eine Notwendigkeit begreifen, die Umweltsituation in den Städten weltweit zu verbessern, sondern auch als ausgezeichnete Gelegenheit, die Lebensqualität ärmerer Menschen zu erhöhen.

 

Jedes Apartment ist kleiner als 50 Quadratmeter


Das Projekt in Zahlen: Es wurden insgesamt 125 Wohnungen gebaut, wobei alle Apartments mit ihren Flächen unter 50 Quadratmetern relativ klein und auf die Bedürfnisse seiner künftigen Bewohner ausgelegt sind. Pro Geschoss sind acht Studios mit einem eingeschlossenen Kern aus Schächten, Treppen und Aufzügen vorgesehen.

 

 


So sieht eines der Modellapartments in Eindhoven aus.

 

Dennoch gehören mehr als vier Quadratmeter Terrassenfläche dazu, wobei auf jedem Balkon eine natürliche Mikroumgebung durch einen Baum und 20 Sträuchern geschaffen wurde. Insgesamt ragt das Gebäude 75 Meter in die Höhe und an seinen vier Fassaden umsäumt von nicht weniger als 125 Bäume verschiedenster Sorten, die mit etwa 5.200 Sträuchern und Pflanzen kleineren Umfangs ergänzt wurden. Innerhalb der ersten mindestens vier Jahre übernehmen Spezialisten mehrmals im Jahr deren Pflege.

 

„In Eindhoven wurde praktisch ein neuer grüner Lebensraum in großstädtischer Umgebung kreiert“, sagt das Architekturbüro. „So wird Raum für die Entwicklung von Biodiversität und ein echtes Ökosystem auf der Grundlage der vorhandenen über 70 unterschiedlichen Pflanzenarten geschaffen. Die Pflanzenarten reduzieren die Luftverschmutzung, da die Bäume in der Lage sind,  mehr als 50 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr zu absorbieren. Das Modell entwirft die kombinierten Interaktionen Mensch-Baum, Architektur-Baum und Stadt-Baum, in deren Rahmen zunächst in Mailand und nun auch in den Niederlanden experimentiert wurde. Die Vorzeichen modernen Designs werden neu bestimmt, indem die Vegetation und lebendige Natur als kombinierte Elemente des architektonischen Ausdrucks gesehen werden und nicht mehr nur als Verzierung.“

 

Wonderwoods Utrecht


Analog zur Realisierung in Eindhoven gibt es auch das noch aktuellere Projekt Wonderwoods in Utrecht, ebenfalls aus der Feder von Stefano Boeri Architetti. Dabei handelt es sich um ein Neubauprojekt zweier Türme mit gemischter Nutzung. Der Bau der Türme am Veemarktplein beziehungsweise am Jaarbeursboulevard (Croeselaan) begann Anfang 2020. Beide Gebäude werden in dem Bereich errichtet, der später einmal unter dem Namen „Beurskwartier“ bekannt sein wird.

 


Darstellung einzelner Bestandteile des Wonderwoods-Projekts.

 

Das Ensemble setzt sich aus zwei etwa 90 und 70 Meter hohen Türmen zusammen, wobei der höhere an der Croeselaan gelegen ist. Ungefähr 200 Apartments sind in den beiden grünen Türmen integriert, 40 Prozent davon werden verkauft. Darüber hinaus werden Mietobjekte für Menschen, die im öffentlichen Bereich arbeiten, sowie Atelierwohnungen bereitgestellt. 27.000 Quadratmeter sind für übrige Zwecke reserviert, wie zum Beispiel für ein PlayLab, Büros, Gastronomie, Sporteinrichtungen, kleine Geschäfte und Bildungseinrichtungen. Insgesamt sollen an den Außenflächen der Gebäude 360 Bäume und 9640 Sträucher angepflanzt werden. Bei voller Kapazität werden dadurch jährlich 5,4 Tonnen CO₂ gebunden, zusätzlich zur Verarbeitung großer Mengen an Mikropartikeln. Außerdem wurde berechnet, dass die Filterfunktion der Blätter zu einer signifikanten Reduzierung der Temperaturschwankungen zwischen Außen- und Innenbereich der Apartments führen wird, was wiederum eine ansehnliche Verminderung der Energiekosten für die Klimatisierung zur Folge haben wird.

 


Der Komplex in Utrecht besteht aus zwei separaten Türmen.

 

Junge Hochqualifizierte, Arbeiter und Familien


„Auch das Projekt Wonderwoods liefert eine zukunftsfähige Perspektive im Bereich des Zusammenlebens zwischen Stadt und Natur als Bestandteil eines neuen ‚Healthy Urban Quarter‘”, so die Einschätzung des Architekturbüros. „Dieses Objekt wird unterschiedliche Funktionsbereiche für verschiedene Nutzer anbieten. In der Hauptsache werden junge, hochqualifizierte Menschen, Arbeiter und Familien davon profitieren. Die Fassaden der Türme werden etwa 10.000 Pflanzen aus 30 verschiedenen Sorten Platz bieten. Dies entspricht in etwa einem Hektar Waldvegetation. Daraus wird sich ein städtisches Ökosystem entwickeln, das jährlich ca. 41 Tonnen Sauerstoff produziert.“

 

„Im Erdgeschoss und kombiniert mit einem Garten im sechsten Stock wird der so genannte Vertical Forest Hub entstehen, ein Dokumentationszentrum über den Stand der Forschung im Bereich der globalen urbanen Bewaldung. In seiner Eigenschaft als authentisches und durchdachtes Gebäude kommuniziert es auch mit seiner städtischen Umgebung, sowohl mittels seines nach außen hin offen begehbaren Erdgeschosses als auch durch seine vertikale Entwicklung, die mit den Proportionen der umliegenden städtischen Bebauung harmoniert. Darüber hinaus ergänzen Räumlichkeiten für Büros, Fitness und Yoga, Abstellplätze für Fahrräder sowie gemeinschaftliche Plätze und Orte der Freizeitgestaltung das Projekt. Auf diese Weise soll hier das neue Wohlfühl-Zentrum der Stadt Utrecht entstehen.”

 


Darstellung des Innenbereichs des Vertical Forest Hub.

 

Alle Bilder: © Stefano Boeri Architetti


Dieser Artikel ist eine übersetzte Bearbeitung
des Textes des Originalautors, Jan Hoffman

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