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Welche Zukunft hat die Büroarbeit?

20. April 2020

Viel wurde bereits geschrieben über das Arbeiten im Büro der Zukunft. Auch wenn sich die Ideen über die Jahrzehnte hinweg unterscheiden, die Vision ist allen gleich: Maschinen werden künftig die Prozesse enorm erleichtern, sodass dem Mitarbeiter viel Zeit zum Leben bleibt. Dass wir an diesem Punkt noch längst nicht angekommen sind, offenbart Corona derzeit eindrücklich.

Von Thomas Geuder

 

Was seit einigen Wochen die Realität ist, hätte man vor wenigen Monaten nicht vermutet. Die Straßen leer, keine Geschäftsreisen, kein Händeschütteln, selbst die herzliche Begrüßung unter guten Kollegen oder Freunden – alles Schnee von gestern. Das Gebot der Stunde lautet „Social Distancing“, genauer gesagt: physische Distanz. Allein das fällt schwer, denn trotz Virus-Pandemie lässt sich die menschliche Natur nicht ändern. Wir sind interaktive, auf Kooperation und Wertschätzung angewiesene Lebewesen, die sich nur ungerne auseinander dividieren lassen. In Zeiten wie diesen gilt das umso mehr. So trifft sich, wer sich physisch schon nicht begegnen darf, eben in virtuellen Räumen. Die Digitalisierung macht es möglich. Entsprechend sind digitale Meeting-Plattformen schon jetzt die Gewinner der Krise. Und plötzlich ist möglich, was viele Unternehmen bisher als nicht praktikabel abgestempelt haben: Das Home-Office, in den meisten Fällen technisch erstaunlich schnell eingerichtet und vom Mitarbeiter liebevoll ausgeschmückt. Wo ein Wille ist, scheint nun also ein Weg zu sein.

 


Auch wenn das Ende der 1930er-Jahre von Frank Lloyd Wright erbaute Johnson Wax Building in Racine (Wisconsin/USA) eine Ikone der Moderne ist, stellt man sich so einen Arbeitsplatz heute nicht mehr vor.
©  Library of Congress / Unsplash


Die Frage nach dem Sinn

 

Während sich in den wenigen Wochen also die Büro-Arbeitswelt fundamental verändert hat, fragen sich mittlerweile nicht wenige, wie man in der Welt vor Corona eigentlich hat arbeiten können. Plötzlich mutet es steinzeitlich an, rastlos im Multitasking-Modus und Dauer-Jetlag gewesen zu sein, als Getriebener, Gestresster, Gehetzter und Erschöpfter. Der erzwungene Stillstand des Shutdowns holt die meisten Büroarbeiter auf eine andere Ebene und macht aus ihnen Wartende, die im Angesicht der Ungewissheit ausharren. Im Idealfall wird der oder die ein oder andere auf sich selbst zurückgeworfen und entdeckt eine Lebensform, die er oder sie bisher nur aus Büchern oder Filmen kannte. Mit der Zeit schleichen sich – erst zaghaft, dann immer lauter werdend – grundsätzliche Sinnfragen ein. Wie: Was macht ein gutes Leben aus?

 


Ein zeitgemäßes Büro verfügt über individuelle Rückzugsmöglichkeiten.
Im Bild: Büroneubau „One Microsoft Place“ in Dublin, Architektur: RKD Architects, Dublin, Innenarchitektur: Gensler, London.
©  Gareth Gardner

 

Neue Form der sozialen Nähe

Der Kapitalismus lebt von der Komprimierung der Zeit, was den sowieso bereits Gestressten wiederum in Zeitnot versetzt. Doch es ändert sich etwas. Das Revier des ruhelosen Einzelkämpfers entwickelt sich von einer Hochleistungsökonomie zu einem Biotop der Philanthropie, der Menschlichkeit, Nächstenlieben und auch Achtsamkeit. Die Kollegen, die bisher im Büro immer da waren, trifft man jetzt zur Teambesprechung auf dem Bildschirm am selbst gewählten Arbeitsplatz. Auch wenn sie damit weit genug weg sind und sie mit einem unbemerkten Klick stummgeschaltet werden könnten, überwiegt die Freude über die Schaltung in der Videokonferenz, über das Home-Office-Dress der Kollegen, die Zimmerpflanze im Hintergrund oder schlicht darüber, dass die Verbindung überhaupt funktioniert. Was dafür noch entsteht, ist bei aller physischen Distanzierung eine völlig neue Form der sozialen Nähe. Die Video-Konferenz ermöglicht einen Blick auf eine Welt, die es so bisher nicht gab, und öffnet die Tür zu einer neuartigen Wahrnehmung der Umwelt und der Menschen darin.

 


Kleine „Phone Rooms“ dienen dem ungestörten Telefonieren und Besprechen oder schlicht als Raum für ungestörtes Arbeiten.
Im Bild: adidas World of Sports ARENA in Herzogenaurach, Architektur: Behnisch Architekten, Stuttgart.
©  Behnisch Architekten / David Matthiessen


Kulturwandel in der Büroarbeit

Die Corona-Krise – so schlimm und aufrüttelnd sie für viele sein mag – hat das Zeug dazu, einen Kulturwandel in der Büroarbeit der Zukunft einzuläuten. Nach Einzelzelle, Großraum- und Gemeinschaftsbüro sind Büroflächen heute viel differenzierter eingerichtet. Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen stehen verschiedene räumliche Möglichkeiten zur Verfügung, vom eigenen Tisch für allgemeine Arbeiten über die schallgeschützte Zelle für konzentriertes Arbeiten bis zum dem agilen Besprechungsraum und der Brainstorming-Ecke mit Ping-Pong-Platte oder Lounge-Sessel. Dahinter steckt freilich die Erkenntnis, dass es nicht nur wichtig ist, im Büro die Arbeit zu leisten, sondern auch wie und in welcher sozialen und baulichen Umgebung das Arbeiten stattfinden kann.

 


Das Büro ist nicht nur reiner Arbeitsstube, sondern auch inspirativer Treffpunkt für die Mitarbeiter.
Im Bild: adidas World of Sports ARENA in Herzogenaurach, Architektur: Behnisch Architekten, Stuttgart.
©  Behnisch Architekten / David Matthiessen



Inspirativer Treffpunkt

Eine zentrale Rolle im Kulturwandels in der Büroarbeit wird auch spielen, was Arbeitspsychologen schon lange sagen: Arbeitnehmer lassen sich nur dann dauerhaft motivieren, wenn sie über die Arbeits- und Auszeiten selbst bestimmen können. So können etwa Fünf-Stunden-Tage und flexible Arbeitszeitmodelle zu höherer Motivation, besserer Gesundheit und größerer Wachheit beitragen, insofern also die Produktivität steigern. All das werden Bauherren und Planer von Büros künftig berücksichtigen müssen. Das Büro der Zukunft entwickelt sich dabei von der reinen Arbeitsstube zu einer Art kreativem Treffpunkt, in dem sich die Kollegen gegenseitig inspirieren, ehe sich jeder wieder dorthin zurückzieht, wo er seine Aufgaben individuell am besten erledigen kann.

 


Künftig wird das Arbeiten im Büro noch mehr vom Arbeitenden her gedacht und auf seine Bedürfnisse eingestellt werden müssen.
Im Bild: „Neue Arbeitswelt 205“ in Schwäbisch Gmünd, Innenarchitektur: Studio Alexander Fehre, Stuttgart.
©  Zooey Braun

 

Leben und arbeiten lassen

Das Arbeiten wird künftig noch mehr vom Arbeitenden her gedacht werden müssen, der seine Aufgaben möglichst geschmeidig in sein Leben einfügen möchte, ohne einen Unterschied oder gar eine Konkurrenz zwischen Arbeit und Leben entstehen zu lassen. Für den Arbeitnehmer wird es darum gehen, den Tag zu enttakten und entzerren, zugunsten individueller Arbeitszeitmodelle. Zur Selbstverwirklichung braucht der Mensch Arbeit und Geld, aber auch Wertschätzung, Zuwendung und Geborgenheit. Viele haben das in der rasanten Beschleunigung und Überhitzung der vor-„coronischen“ Zeit bereits geahnt und jetzt im Shutdown erkannt. Wer diese Entwicklung erfasst und für die Zeit nach Corona beherzigt, hat schon jetzt gewonnen.

 


Den richtigen Arbeitsplatz finden viele gerade nicht im Büro, sondern dort, wo sie ihn sich individuell gestalten können.
©  Roberto Nickson / Unsplash

 

www.derRaumjournalist.de

 

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