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Ökologischer Lehmbau

28. Juni 2022

Die Pfalz ist weltweit bekannt für ihre lange Tradition als Zentrum des Weinanbaus und -handels. So auch die Kleinstadt Landau in der Pfalz, in der deshalb einige repräsentative Bürgerhäuser als Zeugen dieser reichen Historie finden. Noch heute ist Landau die größte Weinbaugemeinde in Rheinland-Pfalz. Das Weingut Sauer im Ortsteil Nußdorf hat nun die bestehenden Gebäude durch eine Lagerhalle mit Vinothek erweitert. Das Gebäude besteht zum größten Teil aus Lehm, der die Luftfeuchtigkeit in den Innenräumen natürlich reguliert.


von Thomas Geuder, Der Raumjournalist


Für die Bauherren war es von der ersten Idee an wichtig, die nachhaltige Unternehmensphilosophie der Winzerfamilie auch in der Architektur und der Auswahl der Baustoffe widerspiegeln zu können. Grundsätzlich mit ökologischen Materialien zu planen und zu bauen, war für die Arge Werkgemeinschaft Landau mit der Architektin Klaudia Fritz also ein wichtiger und konsequenter Ansatz. Im Innenraum des zweistöckigen Gebäudes wird die Atmosphäre vornehmlich von Lehm und Holz geprägt. Große Glasfronten rahmen den weiten Ausblick in die umgebenden Weinanbauflächen. Noch weitläufiger ist der Rundumblick von der vorgelagerten, auf schräggestellten und geradezu torkelnden Stützen aufliegenden Terrasse. Der neue Baukörper ist bewusst aus der rechtwinkligen Anordnung der bestehenden Gebäude herausgenommen, was als Sinnbild für die Experimentierfreude und die Außergewöhnlichkeit des Weinguts stehen soll.



Wichtig war für Bauherren wie Architektur-Team, die Unternehmensphilosophie mit ökologischen Materialien zu transportieren.



Von der Terrasse aus hat man einen herrlichen Blick über die Weinanbau-Umgebung.

 

Weinbau-Architektur aus Lehm


Im Erdgeschoss des Anbaus befindet sich der Weinkeller für die großen Fässer. Hier haben die Stampflehmwände eine Dicke von enormen 60 Zentimetern. Der Lehm gleich die Schwankungen der Luftfeuchtigkeit auf natürliche Art und Weise aus und sorgt so für ideale klimatische Verhältnisse bei der Lagerung von Wein in Holzfässern. Auch im Geschoss darüber, der eigentlichen Vinothek für Besucher, sorgen Lehmwände für einen Luftfeuchtigkeitsausgleich, was besonders wegen des teils hohen Publikumsverkehrs sinnvoll ist. Gestalterisch erinnert die markante horizontale Schichtung des Stampflehms an die lineare Gliederung von Weinbergen. Auch das charakteristische Eichenparkett mit unterschiedlich breiten Dielen nimmt diesen Entwurfsgedanken auf.

 


Für die Holzfässer sind die im Erdgeschoss 60 cm dicken Stampflehmwände ideal, da sie die Luftfeuchtigkeit regulieren.

 

Gestaltung mit vielen Verweisen


Die Verortung des Bauwerks in seiner Umgebung ist ein wichtiger Teil des Entwurfs, weitere Bezüge zu Region und Unternehmen sind überall versteckt. Die Materialmischung des Lehms etwa enthält Bestandteile der hauseigenen Weinberge. Die Tische sind aus regionalem Nussbaum gefertigt, ebenfalls ein Verweis auf die Historie von „Nußdorf“, dessen Ortsname von– so die Sage – Siedlern stammt, die sich hier einst unter den vielen Walnussbäumen niederließen. Alle Materialien in dem Gebäude folgen bewusst einer deutlich spürbaren Handwerklichkeit, was auf die mitunter mühsame Arbeit bei der Weinproduktion hinweist. Auch südländischer Gestaltungsstil findet sich, als Anspielung auf „Bodegas Palmera“, dem spanischen Weingut der Winzerfamilie, in zahlreichen Details, etwa den Dekorfliesen in WC und Küche, dem Olivenholz der kleinen Tische und den ornamentalen Verschattungselementen an den Durchgängen zur Terrasse.

 


Holz und Lehm sind in dem Erweiterungsbau elegant aufeinander abgestimmt, was sich in viele Details zeigt.

 

Klimatisierung ohne AC


Eher ungewöhnlich selbst für einen Lehmbau ist, dass auch die Decke aus Lehm besteht. Genauer gesagt handelt es sich um ein Lehm-Trockenbausystem auf einer Unterkonstruktion, mit dem sich gleichzeitig heizen und kühlen lässt. In die Platten sind Rohrleitungen integriert, die zu einem Gesamtsystem verbunden über einen Heizkreisverteiler an die Heizungsanlage angeschlossen sind. Um ein einheitliches Gestaltungsbild zu erhalten, sind die Platten mit einer abschließenden Lehmschicht versehen, deren Oberflächenstruktur bewusst ungerichtet ist, damit sie an einen Anbauboden in den Weinbergen erinnert. Die Wärmeenergie kommt von einer Wärmepumpe mit Erdwärmesonden. Sie kann ebenfalls zur Kühlung eingesetzt werden, wobei die Wärmepumpe selbst dann abgeschaltet und nur die sehr ökologisch sinnvolle Free-Cooling-Funktion genutzt wird.

 


Auch die Decken bestehen aus Lehm, sind jedoch zusätzlich mit einer klimatisierenden Funktion ausgestattet.

 

Alle Bilder: ©  Nikolay Kazakov, Karlsruhe


Projektdaten:

 

Architektur:

Arge Werkgemeinschaft Landau, Landau, mit der Architektin Klaudia Fritz, Gleisweiler

 

Bauherrschaft:

Weingut Familie Sauer, Böchingen

 

Projektbeteiligte:

Ingenieurbüro Kirstin Voland, Landau (Statik)

ZRS Ingenieure GmbH, Berlin (Statik Lehmbau)

SWG Schraubenwerke Gaisbach GmbH, Rülzheim (Statik Holzbau)

WEM, Urmitz (Planung Deckenheizung/-kühlung)

Prof. Dr. H. J. Blaß, Karlsruhe (Prüfstatik)

Ing. Büro Anefeld, Landau (Vermessung)

ICP, Ingenieurgesellschaft Prof. Czurda und Partner mbH, Kaiserslautern (Bodengutachten)

Ingenieurbüro für Bauphysik Christopher Malo, Kallstadt (Bauphysik)

Balck + Partner Facility Engineering, Heidelberg (Energieberater)

 

Nutzfläche

1.145 m²

 

Umbauter Raum:

8.760 m³

 

Fertigstellung:

2021


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