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Nur der Himmel setzt Grenzen

25. Mai 2021

Ein außergewöhnlich erfolgreiches Leben fand ein außergewöhnlich tragisches Ende: Der deutsch-amerikanische Stararchitekt und Herr der Türme Helmut Jahn kam am 8. Mai 2021 bei einem Verkehrsunfall mit dem Fahrrad ums Leben. Er war 81 Jahre alt.

 

Von Barbara Jahn

 


Helmut Jahn (1940 – 2021) schlug eine architektonische Brücke zwischen Europa und Amerika. © courtesy Helmut Jahn

 

Helmut Jahn und ich hatten nicht nur zufällig den gleichen Nachnamen und das gleiche Sternzeichen, wir sind uns Mitte der 1990er Jahre sogar einmal wirklich begegnet. Eine Studienreise der Technischen Universität Wien brachte mich nach Chicago, ein Aufenthalt, bei dem auch ein Besuch bei Murphy / Jahn eingeplant war. Im Vorfeld hatten wir Studenten uns natürlich schon auf diesen Moment vorbereitet, aber es dann wirklich zu erleben, dieses unglaublich große Büro am Wacker Drive, Chicagos erste Adresse, mit so vielen Architekten, die an den unterschiedlichsten Projekten arbeiteten, die beeindruckenden Pläne, Skizzen und Modelle, damit konnte die bloße Vorstellung nicht mithalten. Und dann kam er: Freundlich, eloquent, humorvoll, inspirierend und voller Tatendrang.

 


Mit dem Xerox Tower (1980) begann Helmut Jahns kometenhafter Aufstieg in den Kreis der gefragtesten Architekten. © courtesy Helmut Jahn

 

Helmut Jahn, geboren 1940 in Zirndorf bei Nürnberg, begann 1960 sein Architekturstudium in München und setzte dieses 1966 in Chicago erweiternd fort, wo sich sein Weg mit dem des letzten Bauhaus-Direktors Ludwig Mies van der Rohe kreuzte. Beide gingen nach Amerika – der eine kam schon berühmt an, der andere hatte es fest vor zu werden. Und es sollte so kommen, denn gleich nach dem Studienabschluss 1967 heuerte der junge Architekt bei C.F. Murphy & Associates an, ein renommiertes Chicagoer Büro, das bald seine außerordentlichen planerischen Fähigkeiten erkannte. Schon 1973 machten sie ihn zum Vizepräsidenten und zum Direktor für Planung und Design. Zehn Jahre später wurde er Partner von Charles Murphy und das Büro wurde in Murphy / Jahn umbenannt. Ab 2012 hieß es schließlich nur noch Jahn.

 


Das Poster zeigt Skizzen zum Messeturm in Frankfurt und demonstriert die facettenreiche Zeichenkunst des Ausnahme-Architekten. © courtesy Helmut Jahn

 

Form follows Force. Sehr bald hatte Helmut Jahn seinen unverkennbaren, typischen Baustil gefunden, geprägt von der Postmoderne und seiner Leidenschaft für Glas und Stahl. Mit kleinen Maßstäben hielt er sich erst gar nicht lange auf und widmete seine ganze Schaffenskraft schon früh monumentalen Bauten und solchen, die an den Wolken kratzen. Fast jedes Bauwerk war in irgendeiner Form mit der Errichtung eines Turmes verbunden, was ihm auch den Nickname „Turmvater“ einbrachte. Bei seinen Türmen immer mit an Bord: Sockel, Schaft und Krone. Ebenso wie sein unverkennbarer Zeichenstil – jedes Blatt ein Meer voller Details, oft in rotbrauner oder schwarzer Tinte, als Strichgrafik oder coloriert – ging auch seine Lehrtätigkeit in die Geschichte ein: Ab 1981 lehrte Helmut Jahn an verschiedenen amerikanischen Universitäten, unter anderem an den renommierten Universitäten Yale und Harvard. 1982 wurde Jahn ordentlicher Professor am Illinois Institute of Technology.

 


In der Vorreiterrolle: Das James R. Thomson Center in Chicago (1985) wurde als visionäres Konzept gefeiert. © courtesy Helmut Jahn

 

„Alles, was man nicht braucht, ist ein Vorteil. Man muss nicht nur weniger Dinge haben, sondern mit den Dingen, die man übrighat, auch mehr machen.“ Helmut Jahn

 

Zu seinen bekanntesten Bauten zählen das Xerox Center, mit dem er erste Berühmtheit erlangte, das leider heute schon marode Staten of Illinois Center in Chicago (bekannt auch als James R. Thomson Center), der Messeturm in Frankfurt, der liebevoll „Bleistift“ genannt wird, das legendäre Berliner Sony Center, der Terminal 2 des Flughafens Köln / Bonn, das Verwaltungsgebäude von Bayer Leverkusen, der Hegau Tower in Singen, der Weser Tower in Bremen sowie drei Bauten am Kurfürstendamm - der gläsernen Keil des neuen Kranzler-Ecks, das extrem schmale „Handtuchhaus“ und das Athena-Haus KU 119. Eines seiner letzten realisierten Projekte war – wie könnte es anders sein - ebenfalls ein Turm: der spektakuläre Testturm für Hochgeschwindigkeitsaufzüge von ThyssenKrupp in Rottweil, der in Zusammenarbeit mit Werner Sobek entstand.

 

Der ThyssenKrupp Testturm für Hochgeschwindigkeitsaufzüge in Rottweil war eines der letzten realisierten Projekte von Helmut Jahn, gemeinsam mit Werner Sobek. © Thyssenkrupp Elevator

 

Mit seinem unerwarteten Tod reiht er sich in die tragisch-illustre Riege vieler großer Architekten, die plötzlich aus dem Leben gerissen wurden: Carlo Scarpa fiel in Japan vom Gerüst, Aldo Rossi starb nach einem Verkehrsunfall am Lago Maggiore, Antoni Gaudì wurde von einer Straßenbahn erfasst und Vittorio Gregotti fiel der Pandemie zum Opfer. Sie alle sind Helden der Architekturgeschichte, und auch Helmut Jahn wird nun einer davon sein.

 


Hommage an seine Wahlheimat Chicago: Die Joe and Rika Mansueto Library. © courtesy Helmut Jahn

 

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